(K)ein Platz in dieser Welt?
Gerade spirituelle Menschen haben häufig das Gefühl, ihren Platz in der Welt nicht zu finden, weil sie sich „irgendwie anders“ fühlen. Doch gerade das, gibt ihnen die Chance neue Horizonte zu entdecken. Auch ein Karawanenführer würde niemals neue Pfade erschließen, wenn er daheim bliebe. Wie können wir neue Wege gehen, und uns dennoch zugehörig fühlen?
Jeder Mensch, egal wie er aufgewachsen ist, hat ein tiefes und intuitives Empfinden für Heimat. Das Gefühl von Heimat ist eine Ursehnsucht, die uns durch das Leben trägt. Heimat symbolisiert das Vertraute. Heimat schafft Geborgenheit und gibt uns das Gefühl von Sicherheit.
Und doch beginnen fast alle Heldengeschichten, wie der amerikanische Mythenforscher Joseph Campbell herausfand, mit dem Verlassen der Heimat ins Ungewisse. In eine Welt voller Gefahren und Abenteuer. Hier muss der Held, abseits von Familie und vertrauter Umgebung, Probleme bewältigen und innere Krisen durchleben.
Was bedeutet es, wenn man seinen Platz nicht findet? Wie fühlt es sich an, nicht zu wissen, wo man hingehört? Wir kennen es alle. Wir wissen nicht, ob wir am richtigen Ort sind, zweifeln viel und fühlen uns fremd. Dieses Grundgefühl blockiert uns, hindert uns, Entscheidungen zu treffen. Wir fühlen uns den Umständen ausgeliefert, sind zu schwach sie zu ändern und zu sensibel sie auszuhalten. Wie finden wir heraus, wo unser Platz ist? Und woran können wir uns orientieren?
Das Unmögliche von Heute, ist die Normalität von Morgen
Leben bedeutet: sich immer wieder neu finden, entwickeln, auf Reisen sein. Und in unserer modernen Gesellschaft wird deutlich: nicht nur ein einzelner begibt sich auf Reisen, sondern die ganze Menschheit. …
Vor einem halben Jahrhundert waren sich unsere Eltern noch einig: die durch Schule, Familie und Fernsehen vermittelten Werte, nahm jeder als gegeben hin. Wohlstand und Sicherheit galten als Maßstäbe für ein zufriedenes Leben. Heute scheinen Freiheit und Selbstbestimmung, zumindest in unseren Breitengraden, immer wichtiger zu werden. Unsere Generation sucht, unter all den tausend Möglichkeiten, nach Erfüllung und hat doch so viele Kompensationsmöglichkeiten und Ablenkungen wie nie zuvor.
Globalisierung, Klimaveränderungen und Soziale Netzwerke stellen uns Menschen heute vor große Aufgaben und Herausforderungen. Das bedeutet, es entstehen unglaubliche Chancen, aber auch tiefe Ängste. Wir erleben ein Chaos, das sich im nächsten Moment aber wieder zu einem neuen noch komplexeren Bild ordnen kann. Immer mehr Menschen, vor allem in Berlin, handeln nachhaltig und finden neue Wege, respektvoll miteinander umzugehen. Wenn wir all unsere Impulse nutzen wollen, müssen wir experimentieren und uns in unserem „anders sein“ zeigen. Auch Einstein, Leonardo da Vinci und Jesus waren zu ihrer Zeit recht sonderbar und haben dennoch bis heute das Weltbild vieler Menschen geprägt. Wenn wir nur das preisgeben, was bereits anerkannt ist, unseren Platz in dem bereits Bestehendem suchen, dann würde doch die Welt in seiner Entwicklung stehenbleiben, oder?
Was lieben wir so an Filmen?
Dass sie endlich zu Ende sind, und dann alles gut ist?
Nein, natürlich nicht, wir lieben den Werdegang der Geschichte.
Wir nehmen teil an den schönen oder auch tragischen Momenten der Helden. Die kleinen Momente berühren uns und öffnen das Herz für Emotionen. Und gerade diese Momente sind es, die die Geschichte tragen und das Leben so wertvoll machen. Wie oft vergessen wir dies? Wir sehen nur die Ziele und nicht den Weg dorthin. Hier ist eine kleine Geschichte, die dies veranschaulicht.
Zwei Freunde lassen sich von einem weiteren Freund zum Fluss fahren, weil es hier eine beliebte Freizeitbeschäftigung ist, sich die Stromschnellen herunter treiben zu lassen. Da sagt der Fahrer, der die beiden zwanzig Kilometer flussabwärts wieder abholen soll: „Ist es nicht viel einfacher und sicherer ich fahre mit Euch und dem Boot auf meinem Autodach zum besagten Treffpunkt? Dann seid Ihr schon angekommen, es kostet weniger Zeit und Aufwand.“
Das wäre natürlich Unsinn. Denn genau das Rudern auf dem Wildwasser ist es, worum es uns geht, sich den Herausforderungen des Flusses zu stellen und sich auf ihm treiben zu lassen. Doch im Alltag des Lebens sehen wir häufig nur unsere Ziele, und vergessen oft, welche Geschenke der Weg für uns bereithält.
Was gibt uns das Gefühl von zu Hause sein?
Auch wenn es uns gelingt, die Momente des Lebens voll und ganz zu genießen und alle Erfahrungen bedingungslos anzuerkennen, bleibt die Sehnsucht nach „unserem zu Hause“. Diese gehört einfach zum Menschsein. Mit „zu Hause“ verbinden wir Sicherheit und Geborgenheit. Als Kind erfahren wir dies durch eine Bezugsperson, wiederkehrende Rituale und ein Heim. Doch was gibt uns als Erwachsener das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit? Während meiner Arbeit als Psychotherapeutin habe ich herausgefunden, dass es insbesondere folgende drei Dinge sind, die es vermögen uns (dauerhaft) Geborgenheit zu geben: Vertrauen in die eigene Kraft, Verbundenheit zu unserem Körper und den bewussten Zugang zu unserer inneren Welt.
Das Vertrauen in die eigene Kraft
Vertrauen in mich selbst, macht es mir möglich, durch Unbeständigkeit und Gefahren hindurchzugehen. So kann ich Veränderung zulassen und neue Möglichkeiten erschließen. Das gibt mir unendliche Freiheit.
Vertrauen in die eigene Kraft verlangt Mut, Risiko und Hingabe. Nach Forschungen des Mythenforschers Joseph Campbell, erhält der Romanheld eine neue Reife nach jeder Herausforderung, die er meistert. Er entwickelt die Fähigkeit sich lichte und freudvolle Gedanken in dunklen Momenten zu machen. Und ihm fließt stets neue Kraft zu, wenn aussichtslose Situationen überstanden sind und er neuen Mut fassen kann. Wer möchte kein Held sein?
Im Körper zu Hause sein
Wenn ich mich selbst ganz und gar spüre, mit all meinen Körperempfindungen, Gefühlen und Bedürfnissen, weiß ich mit jeder Faser meines Körpers, dass ich am Leben bin. Kennst du das? Du begibst dich mit deiner ganzen Aufmerksamkeit in das Gefühl deiner Handflächen und stellst fest, dass du kaum genügend Energie zum Denken übrig hast. Du spürst unmittelbar die Wärme und das Pulsieren. Wenn du auf den Atem achtest passiert dasselbe. In dem Moment, wo du mit deiner ganzen Aufmerksamkeit ein- und wieder ausatmest, ist es kaum noch möglich an gestern, oder an morgen zu denken. Dein Atem ist es, der dich immer in die Gegenwart zurückbringen und damit zu einem Anker werden kann. Dieses Gegenwärtig sein ist ein Gefühl von Ankunft. Ankunft im Körper. Ankunft bei dir. Ankunft im Leben.
Im Körper zu Hause zu sein, gibt das Gefühl von Geborgenheit und Getragen sein. Mit diesem Grundgefühl geht die Reise erst richtig los. Du beginnst deine Erfahrungen zu lieben, ohne das Ende der Reise herbeizusehnen.
Innere Welt als Quelle der Kraft
Das Übersinnliche, spielt in allen mythologischen Volksgeschichten, wie auch in vielen modernen Filmen eine wichtige Rolle. Wir sehen ein Zeichen in den Wolken, haben das Gefühl „unsichtbare Helfer“ zu haben, oder sind mit der Quelle einer verborgenen Kraft in Kontakt. Auch in unserem Alltag versorgt uns Meditation, Kreativität und das Wunschträumen mit Energie, die aus einer höheren Quelle kommt. Sind wir mit der Quelle der Inspiration verbunden und beginnen wir zu gestalten, unsere Reise, unser Leben, unseren Ort.
Meister der zwei Welten
In vielen Geschichten kommt irgendwann die Zeit, in der unser Held, nach bestandenen Gefahren und der Erfüllung seiner Aufgabe, wieder zurück in seine Heimat gehen soll. An diesem Punkt aber zögert er. Er fühlt sich seiner alten Heimat „entwachsen“. Er hat die Freiheit des Abenteuers kennengelernt und neue Maßstäbe für sich entdeckt. Und nun soll er wieder in die banale Alltagswelt zurück?In der Tat, es gibt Menschen, die auf ihrer spirituellen Reise, Erfahrungen mit Engeln, inneren Bildern und transzendenten Erfahrungen gemacht haben und so sehr darin eingetaucht sind, dass sie die Rückkehr in die Alltagswelt als schwierig empfinden und dadurch immer weiter nach esoterischen Abenteuern suchen. Aber ist es nicht sinnvoller, diese spirituellen Geschenke in den Alltag zu integrieren? Denn beides gemeinsam entspricht der Ganzheitlichkeit unseres Lebens.
Michael Endes Bestseller „Die Unendlichen Geschichte“ zeigt dies sehr deutlich. Der Romanheld Bastian Balthasar Bux möchte aus Phantasien nicht mehr in die „graue Menschenwelt“ zurückkehren. Denn in Phantasien ist er ein Kaiser, in der Alltagswelt fühlt er sich unbedeutend als dicker Junge. Doch es stellt sich heraus, dass gerade die Verbindung zwischen Phantasien und dem Alltag beide Welten ins Gleichgewicht bringt.
Was aber bedeutet es konkret seine spirituelle Kraft im Alltag zu nutzen?
Wie lebe ich mein Potential an einem beliebigen Dienstagabend in Berlin?
Ich bin da wo ich bin, da bin ich
Handeln ist die Brücke zwischen der inneren und der äußeren Welt. Wenn du eine innere Vision hast, wie du dein Leben und deine Umwelt gestalten möchtest, kannst du beginnen, deine schöpferische Kraft in deine Umgebung einzubringen.
Durch dein Tun, ermutigst du andere Menschen dasselbe zu tun und die Welt wird zu einem Ort, an dem du dich mehr und mehr wiederfinden kannst.
Wenn du zum Beispiel zu einer Party kommst und fühlst dich dort nicht wohl, dann kannst du dich in einer Ecke verkriechen und darüber meckern, das dir die Musik nicht passt und die Leute nicht offen sind. Damit sendest du eine unangenehme Stimmung aus, bringst dich nicht ein und isolierst dich. Du verschließt dir den Weg Kontakt aufzunehmen und damit die Möglichkeit etwas an der Situation zu verändern.
Aber verweilst du einen Moment, lässt die Atmosphäre auf dich wirken und konzentrierst dich auf deinen Atem, kannst du spüren, wie du in dir zu Hause bist. Du fühlst deine Lebendigkeit und Kraft. Deine Aura beginnt du strahlen. Und es wirkt Wunder.
Die anderen Gäste öffnen sich, kommen auf dich zu und der Abend wird einzigartig. Wann immer du also etwas vermisst, halte inne und nimm wahr, was dir fehlt. Dann bringe es ein. Wer soll es sonst tun!? Vielleicht kannst du damit nicht die Welt verändern, aber wenn du es überall tust wo du bist, wird sich deine Welt verändern. Und weitere Menschen werden, durch dich, inspiriert es ebenfalls zu tun.
Am Ende einer Geschichte lebt unser Held anders an seinem Heimatort als zuvor. Er ist Meister der zwei Welten geworden. Verbunden mit seinem Atem, seinem Körper und seiner inneren Welt, wird er zum Leuchtfeuer für die Menschen in seiner Nähe. Er ist angekommen im Leben. Ankommen im Leben bedeutet die Kraft zu haben, sich vertrauensvoll neuen Herausforderungen zu stellen. Dann können wir bewusst auf Dinge zugehen und sie aktiv gestalten. Und dies jeden Tag aufs Neue. Dann wird Heimat unabhängig von einem bestimmten Ort, weil wir die Fähigkeit besitzen Geborgenheit zu schaffen und sie uns Selbst und anderen Menschen zu schenken.